3.1 Einleitung

Darstellungen von gestalterischen Projekten[1] werden heute großteils mit Hilfe von Computern generiert. Trotzdem begegnet man kaum einem sogenannten Kreativen ohne Notizbuch. Bei genauer Betrachtung der Arbeitsweise stellt sich heraus, dass grundlegende Entscheidungen zeichnerisch getroffen werden.

Wenn wir explorative Zeichnungen betrachten so sehen wir meist eine schnell hingeworfene Skizze die Bereiche des entwerferischen Interesses zum Inhalt hat. Trotzdem diese Skizzen oft sehr abstrakt sind, haben sie eine „Bedeutung“ für den explorativen Zeichner. Scheinbar sind sie das grundlegende grafische Instrument des Denkens im Entwurf. Das Zeichnen ist, auch heute noch, weitgehend das Medium mit dessen Hilfe gestalterische Ideen entwickelt werden.

Und hier die erste paradoxe Feststellung:

„Entwurfszeichnungen werden dann eingesetzt, wenn bestimmte mentale Möglichkeiten der Aufnahme von Daten nicht mehr möglich sind. Entwerfer setzen also mit dem Zeichnen ein, wenn sie „sich etwas nicht mehr vorstellen können.“ [2]

Vorerst werden verschiedene Arten von Zeichnungen und ihre gegenseitige Beeinflussung dargestellt.

3.2 Charakteristisches an Architekturskizzen

Gestalter verwenden verschiedenste Zeichnungen, jedoch mit Hilfe von Skizzen finden sie Lösungen. Dies macht explorative Zeichnungen zu persönlichen Aufzeichnungen, mit deren Hilfe ein innerer Dialog geführt werden kann. Im Gegensatz dazu stehen Zeichnungen, die einen eher öffentlichen Charakter haben. Diese werden dazu verwendet um abgeschlossene Analysen von Untersuchungen zu präsentieren. Trotz seiner essentiellen Rolle als Werkzeug, wird die Skizze aus Gewohnheit verwendet, sie wird in bestimmten Situationen eingesetzt.

„While public drawings rely on a shared system of conventions and symbols for communication between people and emphasize the needs of an external and often anonymous audience, private drawings are likely to contain personal conventions made up on the spot and they address an internal audience of one.“ [3]

Abbildung 1: Projektdarstellung, zeichnerische Präsentationszeichnung            

Explorative Zeichnungen sind grafisch einfach und informell in ihrer Darstellung. Sie werden am Rand von größeren Zeichnungen, auf Papierfundstücken (was eben zur Hand ist), Servietten, Zigarettenschachteln, Briefumschlägen, Rechnungen (Abbildungen 2 + 3), sofort zu Papier gebracht. Diese Skizzen haben häufig keine Proportion und stellen oft auch nur einen Ausschnitt des Planungsgegenstandes dar. Manchmal stellen sie auch eine völlig abstrakte Entwurfsidee dar (Abbildung 4).

Trotzdem haben solche Skizzen Ähnlichkeiten mit Plandarstellungen. Es werden Grundrisse, Schnitte und Perspektiven verwendet, doch werden Großteile der üblichen grafischen Konventionen aus der herkömmlichen Plandarstellung ignoriert. Explorative Zeichnungen stellen die erste Stufe in einer kontinuierlichen Abfolge von Skizzen dar. Eine Ebene die sich nach und nach entwickelt und durch ihren abstrakten Ansatz, Eingang in die nächstfolgenden Zeichnungen findet.

                               

Abbildung 2: Skizze Gasthausrechnung                         Abbildung 3: Skizze Gasthausrechnung

3.3 Explorative Zeichnungen

Explorative Zeichnungen stellen sich als grafische Metaphern dar, sie korrespondieren mit der verbalen Form der symbolischen Transformation.

Die explorative Zeichnung wird aus einer Kontext Zeichnung entwickelt. Die Information, die das spezielle Problem beschreibt, ist aus dem Kontext abstrahiert. Das Problem wird von der explorativen Zeichnung behandelt und dann in die darauffolgende Kontext Zeichnung integriert.

Einen Bereich aus dem Kontext zu nehmen, um ihn gesondert zu bearbeiten, erfordert eine Reihe von Entscheidungen, Wie: was ist signifikant, was ist essentiell, wie kann ich Es in einen kohärenten Zusammenhang zum Ganzen stellen und in eine neue Form bringen?

Eine explorative Zeichnung ist dabei nicht neutral. Weder ist sie explizit dafür gemacht, eine neue „Kontext Zeichnung“ zu werden, noch implizit zwingend eine Überlagerung, oder fokussierte Zuwendung zu einem bestimmten Bereich in der Kontext Zeichnung. Sie stellt, noch bevor sie eine Suche intendiert, signifikante Gestaltungsentscheidungen dar.

Abbildung 4: Sequenz mit „Wortbildern“

Nach der Selektion und Vorstrukturierung folgt der metaphorische Vorgang. Er korrespondiert mit seinem verbalen Widerpart. Durch Abstraktion, befreit von seinem ursprünglichen Kontext, wird eine konzeptuelle Struktur in Gang gesetzt, die transformatorische Prozesse hervorruft.

Diese Struktur agiert als eine symbolische Metapher mit hohem Entwicklungspotential und generiert dadurch neue Bedeutungen. Auf diese Weise können, wie mit einem wechselseitig gepolten Magnet, Verbindungen mit anderen magnetischen Strukturen im kontextuellen Bereich gesucht werden.

„[As Rusch´s model of cognition showed], the creation of new meanings involves the continous recombinination of immediate and remembered experience into new structures and may include formal, kinesthetic and emotional as well as imaginal meanings.“ [4]

Der Zugewinn neuer Bedeutungen wird symbolisch-grafisch, durch Neuzeichnen, Überzeichnen oder Überlagerung, dargestellt.

Manchmal fungiert das Überzeichnen direkt auf der Konzeptzeichnung als eine „vor Ort Untersuchung“.

Ein transformiertes Symbol ist, in einer sich entwickelnden explorativen Zeichnung, nicht nur eine grafische Variation über ein grafisches Thema, sondern der grafische Ausdruck einer transformierten Struktur (mentalen Repräsentation). Sie ist mit neuer Bedeutung aufgeladen und verfolgt das Ziel des Entwerfers gesamte, persönliche und fachliche, Erfahrung zu nutzen.

Die metaphorischen Komponenten in einer explorativen Zeichnung sind grafisch simpler, dabei aber gleichzeitig symbolisch komplizierter als bei verbalen Metaphern. Am Anfang steht die Skizze als ihre eigene Referenz. Sie kombiniert das verbale Äquivalent von Sprache und Objekt, eben weil sie Bedeutungen direkt trägt. Damit stellt sie den Gegensatz zu einem Wort dar, das indirekt auf ein Objekt verweist, welches wiederum eine Bedeutung hat.

Weiters verhält sich die explorative Zeichnung als das Bekannte und das Unbekannte. In ihrer „bekannten Bedeutung“ trägt sie, was auch immer der Entwerfer ihr zuschreibt, als auch ihre „teilweise bekannte“ Bedeutung. Dieselbe Zeichnung führt, gebildet durch Formung einer neuen Struktur, zu einer neuen Bedeutung.

Die explorative Zeichnung kollabiert im Äquivalent aller Komponenten der verbalen Metapher, in einem semantisch verdichteten Ausdruck, dem Bild.

„The image of the exploration drawing provides both the medium and the meaning fort he ensuing interaction, illuminating and extending the known as well as the partially known, all in general agreement with the operating outcome of the verbal metaphor, but with a profound difference in the function of its referents.“ [5]

Effektive verbale Metaphern haben drei Charakteristiken gemeinsam: Erstens einen Grad an Ambiguität, der eine Reihe von Interpretationen erlaubt. Zweitens ausreichende Übertragbarkeit um Transaktionen zwischen ihren Referenten zu ermöglichen. Drittens die Verwendung bildlicher Darstellungen im Prozess, um „lesbare“ verbale Assoziationen zu bilden.[6]

Grafische Ambiguität bedeutet bei explorativen Zeichnungen keineswegs  ungeschicktes Zeichnen. Es erfordert Geschicklichkeit und Erfahrung um explorativen Zeichnungen Mehrdeutigkeit zu verleihen.

Explorative Zeichnungen haben einen Vorteil gegenüber verbalen Metaphern, sie sind intrinsisch (von innen her kommend) bildhaft. Die bildhafte Ebene ist im kognitiven Denken, wie beschrieben, das Bindeglied zu konkreten Erfahrungen.

Jede dieser verbalen und grafischen Formen steht an der Spitze ihrer eigenen Hierarchie von weniger evokativen Formen der Metapher. Dabei leistet jede von ihnen mehr als nur Assoziationen Zusammenzuführen, sie bilden unerwartete neue Bedeutungen aus der gesamten Erfahrung des Entwerfers.

3.4 Datenverlust beim Zeichnen

Explorative Zeichnungen sind Abbilder einer verborgenen Struktur die dem Zugewinn von Informationen dient. Sie unterstützen die Aufmerksamkeit und sind gleichzeitig vieldeutig. Explorative Zeichnungen erscheinen spontan und ungezwungen. Sie können dabei jeden Aspekt einer Problemstellung untersuchen.

„Conzepts from contemporary philosophy – especially structuralism, with ist emphasis on the internal organization of knowledge – linguistics and neurobiology demonstrate that preforming structures of information and consequent separation of design work from primary reality are not just the effect of accidental omissions or the result of any one designer´s idiosyncrasies.“ [7]

Vorgeformte Strukturen (als vorgängige sinnliche Erfahrungen) sind im Prozess des explorativen Zeichnens fundamental. Sie sind Produkte der Abgleichung von Wahrnehmung und Erfahrungshintergrund und stellen Beziehungen zu neuen Inhalten her. Diese Strukturen sind von Berufsspezifischen Konventionen, historischen Vorbildern, sozialen Kontexten und dem ganz persönlich angeeigneten Formen- und Bezugskanon, geprägt.

Das Generieren solcher verborgener strukturaler Beziehungen ist lösungsorientiert, es hat jedoch den irreversiblen Verlust von Informationen im Entwurfsprozess zur Folge. Das dient einerseits der Ökonomisierung des kognitiven Prozesses, andererseits erfolgt dadurch eine Fokussierung auf das Wesentliche.

Bei der Arbeit von Gestaltern beginnt die Formung konzeptueller Strukturen schon vor dem Zeichnen. Es beginnt mit dem Sammeln und organisieren von projektbezogenen Daten, der Beschreibung des funktionalen, physischen und kulturellen Kontexts. Selbst beim einfachsten Projekt ergibt die Erhebung des Datenmaterials so eine Fülle an kontextuellem Material, dass zwingend eine Abstraktion stattfinden muß bevor eine gestalterische Intention herausgearbeitet werden kann.

Abbildung 5: Skizze Zwischenprodukt

Aber die interne Abstraktion bewirkt mehr, als nur Daten zu organisieren. Keine Struktur kann alle gesammelten Informationen verarbeiten, deswegen muß bei der Selektion und Organisation Material ausgeschieden werden, das nicht in die geplante Struktur passt. Die so ausgeschiedene Information geht verloren, ohne eine neue Struktur zu erzeugen. Die Signifikanz von verlorener Information bleibt unbekannt, weil sich nur die Einbeziehung verwandter Information in die Struktur übertragen lässt. Dieser Verlust stellt den unvermeidlichen Preis dar, zwischen Wahrnehmung und Erkenntnis, neue Strukturen zu bilden.

„[...]neurobiological insights into the visual pathway show that information about the world enters the mind not as raw data but as highly abstract structures which are the result of a preconscious set of step-by-step transformations of the sensoryinput. Each transformation step involves the selective destruction of information according to a program which pre-exists in the brain.“[8]

Dieser Informationsverlust findet bei jeder neuen Strukturbildung statt, immer wenn  kombiniert oder revidiert wird.

3.5 Zugewinn von Informationen

Der Datenverlust im Strukturaufbau kann nicht verhindert werden, er wird aber von Informationen aus unserer Erfahrung wett gemacht. Explorative Zeichnungen sind in dieser Phase grafische Hilfsmittel um Informationen aus unserer Erfahrung aufzurufen, die Anknüpfungspunkte zur Aufgabenstellung aufweisen.

Bilder haben im kognitiven Prozess die Funktion, als mentale Strukturen, Bedeutungen zu tragen. Diese mentalen Strukturen sind schematischen Prozessen unterworfen und steuern Wahrnehmung, Reflexion und Erinnern.

Die Reflexion dient dem Austausch mentaler Strukturen in ihren formalen, bildhaften, kinästhetischen und emotionalen Bezügen. Neuzugeordnete Formen werden in neuen Strukturen verarbeitet.

„These meaning-structures are stored within the memory as symbols,[...] of which has both an inward and an outward form. The symbol´s inward form is meaning and its outward form is expressed in some material such as paper, ink, sound, gesture, etc. So, finaly we can define images as that class of symbols which have some dimensional pattern or other sensory quality to them.“ [9]

Bilder schaffen Verbindungen zur imaginären Ebene der Reflexion, sie vermitteln zwischen der nicht konzeptuellen, emotionalen und kinästhetischen Ebene und der klar konzeptuellen, formalen Ebene.

Durch das Medium der Skizze kann der explorative Zeichner seine ganz persönliche als auch seine professionelle Erfahrung in die Gestaltungsaufgabe einbringen.

3.6 Grafische Konventionen

Skizzen zeigen aus zwei Gründen die einfache Verwendung grafischer Konventionen: Eine zeigt nach Innen und eine nach Aussen. Äußerlich werden Skizzen oft verwendet, um eine Idee diskutieren zu können. Weiters können diese Skizzen als Zwischenprodukt für die Weiterentwicklung in eine Präsentations-zeichnung, etc. verwendet werden. Aber die bedeutendste Rolle kommt der Verwendung der Konventionen als Schlüssel zum Abruf von erinnerten Bildern zu.

Die gesamte Ausbildung von Gestaltern, der Austausch von Informationen, ist an den Gebrauch von zeichnerischen Konventionen geknüpft. Das ist der Grund, warum in jeder Skizze, Analyse, oder zeichnerischen Betrachtung, immer einige dieser konventionellen Zeichen verwendet werden.

Es sind Teile von Grundrissen, Schnitten, perspektivischen Darstellungen, usw. Auch wenn sie nur als beiläufige Kritzeleien gemacht werden. Wegen der Verwendung dieser grafischen Konventionen haben explorative Zeichnungen, über den gesamten Entwicklungsprozess hindurch, einen Bezug zu anderen Sequenzen,.

3.7 Kontinuität und Wechsel

Der Arbeitsprozess beim explorativen Zeichnen ist nicht nur dynamisch sondern zyklisch. Entwurfszeichnungen bilden den äußeren Ring einer sich wiederholenden Sequenz im Arbeits-Prozess, während Wahrnehmung und Erkenntnisgewinn den inneren Ring bilden.

Betrachten wir zuerst den inneren Ring. Die Entwicklung eines Entwurfs entsteht durch Austausch mit dem Erfahrungsvorrat und einem Verständnis des Problems, wie wir es bei der explorativen Zeichnung in den sukzessiven Wiederholungen durch den gesamten Entwurfsprozess beobachten können.

„On each recycle the structure is rebuilt, new information is added, parts of the old structure are discarded, while other parts are changed only indirectly by the changes in the context which surrounds them.“ [10]

Bilder aus der Erinnerung erzeugen einen Impuls durch Elemente die abstrahiert werden und initiale Positionen zu Idee und Kontext haben. Diese ersten Bilder sind angereichert mit neuen Informationen, die im Gedächtnis des Entwerfers abstrahiert wurden. Sie werden zu weiteren Daten des Problems in Bezug gesetzt.

Durch jede Wiederholung werden mehr komplexe, imaginäre, Strukturen aufgebaut. Der Mensch kann nur eine begrenzte Anzahl von solchen visuellen Informationen, aufnehmen. Je komplexer die mentalen Bilder werden, desto  wichtiger ist es, den äußeren Kreis des Arbeitsprozesses als einen Gedächtnis-Annex zu nutzen. Im Zusammenhang mit der Entwicklung einer Entwurfsaufgabe bilden explorative Zeichnungen diese Gedächtniserweiterung, oder den externen Speicher. Das sichtbare Ergebnis eines solchen Vorganges sind personenbezogene Zeichnungen, die Symbole, dieser diskursiven Autokommunikation, tragen. Ihre Merkmale sind Verkürzung und Reduktion.

Schnelligkeit ist im Prozess des Skizzierens wichtig. Nicht nur um Informationen speichern zu können, sondern um die „Verbindung aufrecht zu erhalten“, so viele Einzelheiten wie möglich erfassen zu können.

Bei explorativen Zeichnungen als „grafische Notizen“ tritt das Wesentliche klar zu Tage: Unwichtige Konventionen weglassen, auf Details reduzieren, grobe Skizzen zulassen und die Zeichnungen so klein wie möglich halten, all das ökonomisiert die Zeichendauer.

Schnelligkeit im Skizzieren, kleine Formate, grafische „Nebenbemerkungen“ am Rand von größeren Zeichnungen, die Studien von Teilbereichen gestatten, all das sind Maßnahmen um den Kontext nicht aus dem Sichtfeld zu verlieren.

Manche Architekten wie Le Corbusier und Louis Kahn, haben in spezieller Art Skizzenbücher geführt. Eine Kombination aus Arbeitsmedium, Gedankenerweiterung und Archiv in einem Format. Diese Art der Vergegenwärtigung scheint, nicht nur für Architekten, sondern für viele gestalterische und künstlerische Bereiche, charakteristisch zu sein.

3.8 Zeichnung als Metapher

Die transformative Funktion der explorativen Zeichnung gleicht Fähigkeit von Metaphern in der Sprache.

„Study drawings act as graphic metaphors for extending from the known to the unknown in design problems.“ [11]

Form oder Gebrauch können einen symbolischen Inhalt repräsentieren. In explorativen Zeichnungen sind Metaphern Vergleiche von Eigenschaften.  Verschiedene Formen von Metaphern funktionieren in unterschiedlicher Weisen.

Ein direktes Beispiel stellt ein bemaßter Bestandsplan (Abbildung 5) dar. Durch die Einhaltung einiger weniger Konventionen, entsteht zwischen den grafischen Elementen und Teilen eines realen Objektes, verglichen mit dem entsprechenden Maßstab, ein 1:1-Bezug.

Abbildung 6: Bestandsplan

Eine weitere, komplexe Funktion der Metapher ist die symbolische Transformation. Sie erzeugt Ähnlichkeit durch Erfinden einer Wechselbeziehung zwischen ihren Komponenten. Andere symbolische Transformationen sind Stellvertretung (Metonymie, Synekdoche) und Gegenüberstellung (Ironie).

Die Anwendung der symbolischen Metapher ist keine passive Assoziationsbildung, sondern ein aktives Instrument zur Verbindung des Bekannten mit dem Unbekannten. Sie hat die Fähigkeit vorhandenes Wissen in Neues zu erweitern.

„Die Entwurfszeichnung kann Ergebnis eines vorgestellten Bildes oder eine Mischung von Vorgestellung, Wahrnehmung und sprachlichen Bildern sein. [...] Also kann gemutmaßt werden, dass die Zeichnung selbst visuelle Vorstellungen hervorrufen kann. Das Zeichnen wird als graphisches Medium begriffen, aus dem der Zeichnende Vorstellungen gewinnen kann, die er vorher nicht hatte. Visuelle Vorstellungen beim Entwerfen können dadurch als produktive Assoziationen zur Bildung von Strukturen und Metaphern gesehen werden, die es ermöglichen, imaginäres auszuprobieren.“ [12]

Durch Gebrauch der Heuristik[13] wendet der Mensch diese symbolischen Transformationsmetaphern an um zu Lernen. Diese Technik beruht auf der Interaktion zwischen Referenzen und dem Potential, komplexe Assoziationen zwischen ihnen herzustellen. Die Metapher schafft unerwartete Bedeutungen durch transzendieren der formalen Beziehung zwischen den Komponenten ebenso, wie zwischen ihren buchstäblichen Bedeutungen.

„Geht man nun davon aus, dass ein wahrgenommenes Bild in eine zeichenhafte Metapher ungewandelt wird, die alle wesentlichen Elemente zur Wiedererkennung enthält und es dadurch ermöglicht, diese neue Metapher mit seinem Erfahrungshintergrund abzugleichen, kommt man zu dem Schluss, dass es sich hier nicht um eine Darstellung, sondern um eine Beschreibung des Objektes handelt.“ [14]

Die Metapher ist eine rhetorische Figur. Sie stellt, in einer übertragenen Bedeutung, zwischen der wörtlich bezeichneten Sache und der übertragen Gemeinten, eine Beziehung der Ähnlichkeit her (Übertragung).

Sie Metapher gehört den bekanntesten Vertretern der Tropen (Tropus, Wendung) an. Der Tropus bezeichnet die Ersetzung eines Ausdrucks durch einen anderen, der allerdings nicht synonym, sondern einem anderen Bedeutungsfeld zugehörig ist.

Weitere Tropen sind:

Die Metonymie als der Gebrauch eines Wortes für einen verwandten Begriff (Brot statt Nahrung).

Die Synekdoche, hier wird Allgemeines durch Besonderes, oder umgekehrt, ersetzt (das Schwert, statt den Waffen).

Die Ironie, es wird das Gegenteil von dem ausgedrückt was man meint, jedoch lässt man die wirkliche Meinung (ironisch) durchklingen.

Die Funktion dieser rhetorischen Stil-Figuren ist durch menschlich assoziatives Denken begründet. Im transformativen Prozess des explorativen Zeichnens ist die Metapher wesentliche Umschaltstelle zwischen Symbolen deren buchstäblichen Bedeutungen und ihren Wendungen welche auf rhetorischen Figuren basieren.[15]

3.9 Kontext Zeichnungen

Sie schaffen einen Überblick über den zu behandelnden Bereich. Sie bilden die Stetigkeit für die Entwicklung der Entwurfslösung. Sie unterstützen, sind Platzhalter und Referenz.

Kontext-Zeichnungen sind, so besehen, in die Zukunft weisende Metaphern. Sie sind grafische Modelle, die einen 1:1 Bezug zwischen der Zeichnung und dem Untersuchungsgegenstand herstellen. Jedoch dient die Zeichnung zu diesem Zeitpunkt als Repräsentation eines antizipierten Gegenstandes. Es handelt sich nur um eine noch nicht fertig entwickelte Mutmaßung. Die Weiterentwicklung zu einer Präsentationszeichnung, oder anderen technischen Zeichnungen, wird vom vollumfänglichen Einhalten der Konventionen begleitet.

3.10 Fazit

Mit Hilfe des explorativen Zeichnens entwickeln Gestalter Ideen. Spontaneität, Reduktion und Ambiguität ermöglichen Abstraktionsbildungen und in weiterer Folge den Austausch mit dem Erfahrungshintergrund des Zeichners.

Durch Fokussieren auf das Wesentliche wird der kognitive Vorgang ökonomisiert. Bilder haben im kognitiven Prozess die Funktion, dass sie als mentale Strukturen Bedeutung tragen. Dabei sind sie der Formung schematischer Muster unterworfen. Die assoziative Zuordnung in das Schema, bringt Erinnerungsvorgänge mit sich.

Im Prozess des explorativen Zeichnens werden Fragen der Form und der Bedeutung, auch wesentlich durch rhetorische Stilfiguren, beeinflusst. Die  Umformung eines Begriffes, in eine zeichenhafte Metapher, ist der Versuch einer Beschreibung. Der umgekehrte Weg stellt eine Argumentation dar. Somit ist der assoziativ denkende Betrachter, in beiden Richtungen den Stilformen der Rhetorik unterworfen.

Trotzdem explorative Entwurfszeichnungen keine Plandarstellungen sind, werden grafische Konventionen verwendet. Sie sind als grafische Darstellungen, Schlüssel zum Abruf von erinnerten Bildern. In dieser Phase dient die explorative Zeichnung als Gedächtnis-Annex, um kognitive Prozesse zu ökonomisieren. Parallel dazu zwingt sie den Zeichner sich auf Wesentliches zu fokussieren.

Beim explorativen Zeichnen dienen bildhafte Metaphern als Umschaltstelle zwischen bekannten und unbekannten Bedeutungen und fördern dabei den Wissenserwerb.



[1]Grafik Design, Industriedesign, Architektur, Mediengestaltung, usw.

[2]Hasenhütl, 2008, S. 33

[3]Während sich sogenannte öffentliche Präsentationszeichnungen auf ein allgemeinverständliches, eingeführtes System an Symbolen und Konventionen verlassen, sind Entwurfskizzen personenbezogenen Konventionen unterworfen, die an den Zeichner selbst adressiert sind. (Herbert 1988, eigene Übersetzung)

[4][Wie Rusch´s kognitives Modell gezeigt hat], beinhalten die Kreationen neuer Bedeutungen das kontinuierliche neu Kombinieren, von unmittelbaren und erinnerten Erfahrungen, in neue Strukturen. Sie beinhalten aber auch formale, kinästhetische, emotionale, als auch imaginäre Bedeutungen. (Herbert, 1988, eigene Übersetzung)

[5]Das Bild der explorativen Zeichnung leistet ebenfalls beides, das Medium und die Bedeutung für die darauffolgende Interaktion, erhellt und erweitert das Wissen und das „teilweise Bewusste“, im Zusammenhang mit der sich ergebenden verbalen Metapher, aber mit einer deutlichen Differenz in der Funktion seiner Referenz. (Herbert, 1988, eigene Übersetzung)

[6]Vgl. Herbert, 1988

[7]Konzepte der gegenwärtigen Philosophie, speziell des Strukturalismus, der sich mit der inneren Organisation des Wissens beschäftigt, Linguisten und Neurobiologen, demonstrieren, dass vorgeformte Strukturen und konsequentes selektieren in der Entwurfsarbeit und der Realität, kein Ergebnis zufälligen Weglassens sind, sie sind nicht nur die idiosynkratischen Einflüsse des Designers. (Herbert 1988, eigene Übersetzung)

[8]Neurobiologische Einblicke in den visuellen Signalweg zeigen, dass Information der Aussenwelt die Psyche nicht als Rohdaten erreichen, sondern als hochabstrakte Strukturen, die das Resultat einer präzisen Abfolge von Schritt für Schritt transformierten Sinneswahrnehmungen sind. Jeder Transformationsschritt bedingt die selektive Zerstörung von Information entsprechend einem Programm, das im Gehirn vorexistiert. (Stent, Gunter Paradoxes of Progress W.H. Freeman & Co. (San Francisco) 1978, p. 110; in Herbert, 1988, eigene Übersetzung)

[9]Diese Bedeutungsstrukturen werden im Gehirn als Symbole gespeichert. Jedes Symbol hat eine innere und eine äussere Form. Die innere Form des Symbols trägt die Bedeutung und die äußere Form wird ausgedrückt im Material wie Papier, Tusche, Klang, Gestik, etc. Schlussendlich können wir Bilder dieser Klasse von Symbolen zuordnen, die ein dimensionales Muster haben, oder andere sensorische Qualitäten. (Herbert 1988, eigene Übersetzung)

[10]Bei jedem Vorgang wird eine neue Struktur gebildet. Neue Informationen werden hinzugefügt. Teile der alten Struktur werden verworfen, während andere Teile nur indirekt, durch wechseln des Kontextes der sie umgibt, den Platz wechseln. (Rusch, Charles W. „Understanding Awareness“ Journal of Aesthetic Education, Vol. 4 (October 1970) p. 63; in Herbert, 1988, eigene Übersetzung)

[11]Skizzen agieren in der Entwurfsarbeit als grafische Metaphern, um vom „Noch-Nicht-Wissen“ zum Wissen, überzuleiten. (Herbert, 1988, eigene Übersetzung)

[12]Hasenhütl, 2008, S. 36

[13]Heuristik = Lehre vom (Er)finden, Kunst der Ideenfindung

[14]Hasenhütl, 2008, S. 38

[15]Siehe Kapitel 7.3 und 7.4. Die Kapitel geben Aufschluss über die beschreibenden und damit auch rhetorischen Prozesse beim explorativen Zeichnen.

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