7.1 Einleitung

Exploratives Zeichnen ist eine gebräuchliche menschliche Kulturtechnik, ähnlich dem Schreiben. Skizzen sollten entweder als Darstellungen von direkten Wahrnehmungen, oder als Darstellungen von Ideen und Bildern aus repräsentierten  Gedächtnisinhalten, klassifiziert werden. Gestalter nutzen Skizzen schon in sehr frühen Projektstadien. Sie verfertigen Sie oft auf dünnem Transparentpapier. Diese Skizzen werden meist sehr schnell ggezeichnet und sind weitgehend idiosynkratisch, so dass sie oft nur vom Verfasser selbst „gelesen“ werden können. Wenn diese Art zu zeichnen schon Jahrhunderte angewandt wird, muss sie hilfreich im entwerferischen Denken sein.

„Innere Bilder zu produzieren ist ein natürlicher Vorgang, den wir alle kennen. Er gehört zum Denken.“ [1]

Entwerfen schließt das Entwickeln, transformieren und verfeinern von Bildern aus unterschiedlichen Aspekten ein. Dabei wird mit nicht real existenten Bildern gearbeitet, die einen Austausch zu mentalen Repräsentationen ermöglichen.

7.2 Dialogisches und Dialektisches

Es entsteht ein Dialog zwischen mentalen Bildern und Zeichnungsinhalten. Mentale Bilder unterscheiden sich von optischen Wahrnehmungen durch ihre reduzierte Intensität. Sie sind flüchtig, im Gedächtnis leicht wieder auszulöschen und sie geben dem Zeichner die Möglichkeit zu spielen. Mentale Bilder können visuelle Objekte bewegen, als ob sie schwerelos währen. Geübte Entwerfer können sie, solange die Vorstellung konkret genug ist, mit Leichtigkeit aus jedem Blickwinkel und jeder Entfernung darstellen. Wahrnehmungen hingegen bleiben mit den physikalischen Objekten verbunden, deren Projektionen sie sind.

Darstellungen von Wahrnehmungen unterscheiden sich von Darstellungen mentaler Bilder dahingehend dass letztere vereinfachte Formen, von aus unserem Gedächtnis abgerufenen Repräsentationen, sind.

Explorative Zeichnungen beinhalten immer einen lösungsorientierten Ansatz. Aus diesem Grund referiert die mentale Konzeption immer auf ein zielgerichtetes Bild. Diese notwendige Objektivität erfordert selbst schon eine Art von Abstraktion.

So lange dieses „Leitbild“ sich selbst entwickelt, hält es tentative[2], vage Prozesse aufrecht. Diese Vorläufigkeit hat die positive Qualität einer topologischen[3] Form. (HIER EIN KURZER AUSFLUG IN DIE TOPOLOGIE?)

Die topologische Form steht für eine Reihe von Möglichkeiten, ohne von einem Thema bestimmt zu sein. Solche thematisch undefinierte Sequenzen erlauben Deformationen und Abänderungen des Leitbildes. In dieser vagen Potenzialität, sucht der Zeichner die endgültige Form.[4] Dabei werden argumentative Inhalte überprüft, es wird die Anschlussfähigkeit zu projektrelevanten Themen überprüft.

G. Goldschmidt hat 1991 eine Studie unter dem Titel „The Dialectics of Sketching“ veröffentlicht. Sieben erfahrenen Architekten und ein Architekturstudent arbeiteten anhand eines Vorgegebenen Grundrisses. Jede Session dauerte zwischen ein und zwei Stunden und wurde mit einem Versuchsleiter durchgeführt, der nur technische Fragen beantwortete und sprachliche Erklärungen des Skizzierten einforderte.

Um schematisch-logische Denkmuster zu entdecken wurde versucht, die kleinsten Einheiten zu isolieren und analysieren. Die Protokolle wurden, in „design moves“ und „arguments“, aufgespaltet.

Als „moves“ wurden einfache schlüssige Operationen im Entwurfsvorgang klassifiziert und „arguments“ als Aussagen welche „moves“ beeinflussen können.

Goldschmidt hat herausgefunden, dass der Prozess weder linear noch hierarchisch abläuft. Es hat sich gezeigt, dass eine Abfolge von „arguments“ innerhalb eines komplexen „move“ nicht kritisch geprüft wird.[5]

7.3 Visuelles Denken, Vorstellungen und Formulierungen

Zur visuellen Darstellung werden nicht zwingend Bilder benötigt. Manchmal ist es beispielsweise einfacher einen komplizierten Sachverhalt darzustellen, indem explorative Zeichner ein „Wortbild“ vor sich sehen. Das geschriebene Wort ist in diesem Zusammenhang eine visuelle Darstellung - kein Bild! Es wird dabei so verstanden, dass seine Bedeutung (und Schreibweise) kein Zeugnis über seine objektbezogenen Qualitäten ablegt. Meist handelt es sich dabei um Beschreibungen erwünschter Eigenschaften, die so Anknüpfungen zu kontextuellen Teilbereichen, erlauben (siehe auch im Folgenden Cecil Balmond´s Wortbild der „Flying Box“).In verschiedensten Gestaltungsdisziplinen werden dreidimensionale Modelle eingesetzt. Diese sind ebenfalls nicht als Bilder zu verstehen, auch sie sind visuelle Darstellungen.

Visuelle Darstellungen verschaffen uns einen direkten Zugang zu expliziten Informationen, die sie in sich tragen, wir können in ihnen auch Formen und Bezüge  erkennen, die explizit gar nicht vorhanden sind. Die Fähigkeit visuelle Darstellungen, ohne nähere Angaben, zu abstrahieren und Informationen zuzuordnen hilft uns beim lösen von symbolisch-metaphorischen Problemen.

Gehry:       „Lustig, es sieht ziemlich komisch aus. Schauen wir´s uns an, bis wir wissen, was uns stört, und ändern es dann [...]“

Pollack:     „Was gefällt Dir nicht?“

Gehry:       „Ich weiß es noch nicht. Es wirkt ein bisschen pompös, ein bisschen protzig. Das ist der Teil, den ich nicht in Worte fassen kann.“

Pollack:     „Ja, aber das ist der wichtigste Teil.“

Gehry:       „Wenn man dieses Ding runternehmen würde und das [...] Und wenn das hierhin käme, würde es mir besser gefallen. Und wenn das hier... Das ist kein gutes Stück [...] Das hier muss exzentrischer werden. – Merkwürdiger.

Pollack:     Merkwürdiger?

Gehry:       Es würde zu den afrikanischen Masken passen. Es müssen einfach Wellen rein[...] Es muss flacher werden. Wie Maggie´s Center. [ein anderes Projekt]

Ja, so. Flacher. Ja, so [...] Siehst Du? Das funktioniert. – Ja. Es sieht so blöd aus, dass es toll aussieht.“  [6]

Hier handelt es sich um einen Ausschnitt Sydney Pollacks Film über Frank Gehry, in dem Gehry mit seinem Mitarbeiter an einem Modell arbeitet. Es wird tentativ, mit der Formgebung der Wellen, ein Bezug zu einer anderen Form, der von den Masken, hergestellt. Selbstredend folgt das Modell den gleichen Gesetzmäßigkeiten. Es ist ein Entwurfswerkzeug im explorativen Prozess. Man kann sich genauso gut einen explorativen Zeichner vorstellen, dessen Handeln von Gehrys und Pollacks selben Worten begleitet wird.

Cecil Balmond:   „Rem [Koolhaas] und ich haben vor langer Zeit folgendes geprägt: „Dumm, aber klug.“ [...] So fangen wir immer an, mit einem Wort. „Eine fliegende Schachtel.“ , „Eine Schlaufe – verstehe.“ [7]

Bei Ghery und Balmond gibt es ähnliche Beschreibungsgewichtungen. Sie eröffnen einen Bedeutungsraum durch formulieren (beschreiben) einer vagen Eigenschaft, dadurch werden metaphorische Umformungen in Gang gesetzt.

In einem Entwurfsprozess, in dem Probleme üblicherweise nicht vordefiniert sind, müssen diese vom Entwerfer formuliert werden.

7.4 Sehen ALS und sehen IN

Es gibt eine Kontroverse darüber, ob mental-visluelle Vorstellungen bildhaft, oder sprachlich repräsentiert werden. Es wird auch die Meinung vertreten, dass diese Bereiche nicht zu trennen sind. Im Zusammenhang mit explorativen Zeichnungen, die eindeutig bildhaft sind, scheint die bildhafte Repräsentation und ihre (meta) sprachliche Interpretation, schlüssig.

Vor dem Hintergrund von unterschiedlich deutbaren Formen können ihre Interpretationen als „sehen in“ und „sehen als“ klassifiziert werden. Der Entwerfer „sieht als“ wenn er während des Skizzierens die Gestalt argumentiert. Beim „sehen in“ interpretiert der Entwerfer nichtfigurale Eigenschaften des schon entworfenen (metaphorisches).

Gehry:       „Als ich dieses Gemälde sah [...] dieses hier. Das hängt im Sainsbury-Flügel des British Museum. Es ist von Hieronymus Bosch. Wenn man es sich anschaut [...] Das ist eine Komposition. Ich fing an, sie als eine Gebäudekomposition zu sehen. Das ist der Grundriss des Israel-Projekts. Es ist eine Komposition. Es ist nicht Bildgenau, aber so finde ich meine Inspiration. Man speichert es unbewusst irgendwo ab und später taucht es wieder auf.“

Pollack:     „Ja, das ist genau, was ich meine. Das passiert unabhängig von einem Auftrag.“

Gehry:       „Als ich es so gesehen habe... Ich habe es schon einmal gesehen, aber an diesem Tag sah ich es anders. Ich stand vor dem Bild und es traf mich. Es war, als hätte der Boden unter meinen Füßen nachgegeben. Es war so ein starkes Gefühl. Ich sah es als Architektur.“[8]

Hier handelt es sich um die Beschreibung des „Sehens als“. Die Lösung der figuralen Fragen, die Aufgabe des Interpretationsoperators „Sehen in“ sind, folgen in weiteren zeichnerischen Sequenzen (Bei Gehrys Arbeitsweise möglicherweise in  Arbeitsmodellen).

Der Prozess des Skizzierens ist dialektisch zwischen „sehen als“ und „sehen in“.[9]

Die Studie von G. Goldschmidt ergab, dass der Entwurfsprozess von einer Abfolge von „sehen als“ und „sehen in“ geprägt war. Zum Großteil waren „als“ Argumente von „in“ Argumenten gefolgt und umgekehrt. Alle „als“ Argumente wurden während des Skizzierens formuliert. „in“ Argumente wurden sowohl während des Skizzierens, als auch in den Pausen ausgesprochen.

Verlagerungen zwischen „als“ und „in“ Argumenten traten innerhalb und außerhalb von „moves“ zyklisch auf.

Die Argumente werden direkt aus dem Erfahrungshintergrund und dem Formenrepertoire des Entwerfers abgerufen, welcher ein multipel kodifiziertes Regelwerk darstellt. Innerhalb dieses Regelwerks werden iterativ durch Argumentation Entsprechungen gesucht, die skizzierend am Papier durch transformieren der visuellen Bilder kreiert wurden.[10]

„Immer geht dem Tun das Wissen um etwas bereits Bestehendes, um den könnenden Umgang mit dem nicht enden wollenden Vorrat von Referenzen voraus. Das Beginnen ist eines, das sich aus einer langen Geschichte des Davor speist, und dieses Vorwissen als Reflexionsverfahren [...] einsetzt.“ [...] Es ist eine postmoderne Produktionsweise, immer verbunden mit einem mimetischen Akt, einem Akt des Kopierens, man schreibt ein Konzept um, weil man vorher etwas konsumiert hat. Man bringt etwas aus seinem Bildungshintergrund hinein.“ [11]

Es handelt sich um eine oszillierende Bewegung zwischen der Übersetzung von Eigenschaften der Formen in allgemeine Qualitäten und allgemeine Regeln in spezifische Erscheinungen. Dieser Vorgang wird so lange wiederholt, bis die generierten Zusammenhänge eine stringente Verbindung mit den allgemeinen Regeln und der Entwurfsaufgabe selbst bilden.

Die Skizze unterstützt interaktive Vorstellungen, durch laufende Produktion von Bildern, die eine Schlüsselposition im visuellen Denken haben. Werden beim Arbeiten statt Skizzen Modelle, oder abstrakte Darstellungen wie Diagramme verwendet, setzten sich ähnliche visuelle Denkprozesse in Gang.

Der kreative Prozess der Formgenerierung im architektonischen Entwerfen resultiert aus einer speziellen Systematik, einem kausalen Zusammenhang zwischen diesen Modalitäten, erzeugt durch das Skizzieren.[12]

7.5 Sammeln

Gestalter sammeln am Beginn eines Projektes Material (Fotos des Ortes, der Umgebung, historisches Material, Referenzprojekte ähnlicher Aufgabenstellungen, Fundstücke, usw.). Dabei kann es sich um, für Außenstehende, ganz belanglose Objekte handeln. Aus der Menge an Inspirationsmaterial werden tragfähige Ansätze entwickelt und getestet. Bevor eine bestimmte Dichte der Anreicherung erreicht ist, treten häufig Verzögerungsmechanismen, auf. 

Aus dem Film „Sketches of Frank Gehry“, von Sidney Pollack:

Pollack:     „Ist der Anfang schwer?“

Gehry:       „Auf jeden Fall. Ich weiß nicht, was Du machst, wenn Du anfängst, aber ich räume meinen Schreibtisch auf, ich mache viele dummen Termine, die sich wichtig anhören, vermeiden, verzögern, verweigern. [...] Ich befürchte immer, dass ich nicht wissen werde, was ich tun soll. Es ist ein schreckliches Gefühl. Aber wenn ich dann anfange, bin ich immer erstaunt [... ]“ [13]

Einer der Probanden aus Goldschmidts Studie erzählte, dass er am Beginn einer Entwurfsarbeit viele Skizzen macht und zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht weiß was er damit für ein Ziel verfolgt.[14]

Ein ehemaliger Angestellter im Atelier von Alvar Aalto beschreibt:

„Die Entwicklung erfolgt durch die Überprüfung im Medium Zeichnung. „Hier lernte man, dass man es nie beim ersten Mal richtig machen kann. Man musste es noch einmal und noch einmal zeichnen“, erinnert sich Eric Adlercreutz in dem „Studio Aalto“ Film.“ [15]

Der Zeichner nimmt in dieser Phase jede Information auf, ohne sie vorher primär zu hinterfragen. Das schafft eine breite Basis (Komplexität), auf der dann der eigentliche Prozess des Entwerfens aufgebaut werden kann. Der Wert dieser Phase liegt darin, dass Spannung definiert wird. Bedingungsfaktoren und                    -komponenten werden in Bezug auf das Gesamtsystem gesehen.

Vor allem in dieser Phase werden Skizzen verwendet, die undeutlich in ihrer Festlegung sind. Form und Lage der geometrischen Elemente werden etwa nur angedeutet. Das erleichtert, ja ermöglicht in seiner Ambiguität die Bildung eines Interpretationsspielraums für neue Analogieschlüsse und Assoziationen.

„[...] Es geht um die Verbindung zwischen Hand und dem Auge, das ist ein kombinierter Vorgang. Man stellt sich etwas vor und während man zeichnet, korrigiert es sich.“[16]

Jedes Planungsproblem ist von internen und externen Umständen determiniert, diese gilt es zu erkennen.

„Ein Projekt beginnt nie mit nichts, es beginnt immer mit einer spezifischen Situation“, so Lacaton. Wichtig für den Beginn ist das, was schon ist, das bereits Existierende.“ [17]

7.6 Erkennen

Nachdem er (Goldschmidts Proband) den Umriss ein paar Mal gezeichnet hat, wird klarer was er versucht, erst jetzt kann er „zu Arbeiten beginnen“.[18] Erst wenn dieses “Kennen lernen“ abgeschlossen ist, können Verbindungen zu bestehendem Wissen hergestellt werden, erst dann kann „geantwortet“ werden. Ab dann werden bildhafte Verbindungen zu internen Repräsentationen hergestellt, die bestehendes Wissen abrufen können und neue Interpretationen zulassen.

Es ist wichtig die Form im Raum zu erkennen, während man versucht Ideen zu bekommen.[19]

Der bekannte Architekt Santiago Calatrava stellt fest:

„It ist the answer to a particular problem that makes the work of the engineer […]

I can no longer design just a pillar or an arch, you know I need a very precise problem, you need a place.“[20]

Das ist eine Einsicht die er, mit vielen Kollegen aus den verschiedensten Gestaltungsbereichen, teilt. Seine Ausführung bedeutet, dass das Erkennen einer Problemstellung erst ein „Antworten“ darauf ermöglicht, da diese Tätigkeit lösungsorientiert ist. Und „Antworten“ ist, laut Aussage von vielen Gestaltern, genau das was beim Zeichnen passiert.

Dieses „erkennen einer Problemstellung“ hat primär nichts mit den Vorgaben eines  Auftraggebers zu tun. Es ist vielmehr der Prozess, in dem der Zeichner das Planungsobjekt besser kennen lernt.

Ein Proband Goldschmidts berichtet, dass er in manchen Phasen über ein Problem nachdenkt, ohne zu zeichnen. Nach eingehendem Erkennen der Problemstellung und darauffolgenden Zyklen der Entwicklung wird die Problemstellung „transportabel“. Die wesentlichen Parameter sind nun so reduziert, dass unterschiedliche Ansätze in Gedanken durchgespielt werden können. Viele Gestalter berichten davon, dass sie scheinbar unbewusst, wachtraumartig, Szenerien durchspielen.

Ein weiterer Proband: „Wenn ich den Bleistift verwende überlagere ich die Skizzen, sie (die Überlagerungen) sind meist sehr einfach. Diese Skizzen sind wertlos als Produkte, deswegen hänge ich nicht an ihnen. (ROLLE DER FLÜCHTIGKEIT VON EZ`s?) Ich mag undeutliche Skizzen, in ihnen kann ich Dinge besser sehen als in Deutlichen. Deswegen fange ich oft mit vielen Linien an und dann beginne ich Dinge darin zu sehen.“[21] (siehe auch Kapitel 2.6)

„Im Entwurf kann man Qualität nicht fixieren. Man kann das Unerwartete nicht erzwingen.“ [22]

In diesem Abschnitt der Formgenerierung ist exploratives Zeichnen keine Repräsentation einer vorformulierten Vorstellung, es ist die Suche nach einer Vorstellung!

Der explorative Zeichenprozess beginnt indem der Zeichner aus Teilaspekten des Entwurfsgegenstandes tentativ visuelle Darstellungen erzeugt. Diese Vorstellungsbilder können Teile real existierender Entwurfsgegenstände, oder andere materielle Objekte sein. Sie dienen als Referenz und ihre Entstehungsgeschichte ist an metaphorische Zusammenhänge gebunden, oder von Verwandtschaften zu einem bestimmten Typus geprägt. Der Prozess, eine passende Vorstellung oder eine Reihe von Metaphern als Anknüpfungspunkt zu finden, ist so komplex, dass er in Etappen ablaufen muss.

7.7 Ordnen– kreativ aufräumen

Durch exploratives Zeichnen werden Variationen von Formen, die untereinander  Bezug haben, gebildet. Sie erweitern dabei den Vorstellungsreichtum des Entwerfers und beinhalten sowohl erwartete als auch unerwartete Interpretationsmöglichkeiten. Der Entwerfer sucht nach Elementen, hinreichender Relevanz und Kohärenz, um eine plausible Repräsentation für die Entwurfsaufgabe zu finden.[23]

Mögliche Lösungen werden gesucht, das Problem wird neu überdacht, Ansätze verworfen, neue gebildet. Dieser Arbeitsschritt ist von intensiver, manchmal sogar euphorischer, Arbeit geprägt. (siehe Kapitel 4.7) In dieser Phase findet ein reger Austausch zwischen, internen und externen, bildhaften Symbolen statt.

„[...] Handlungsspielräume  entstehen durch Mischung, Transformation und Imagination. „Mischen ist das einfachste, das gängigste Level. Das kann jeder. Transformation ist die nächst höhere Stufe. Aber die Imagination ist das höchste Level. Sich vorzustellen, wie etwas sein wird. Was ich am meisten schätze ist, sich das vorstellen zu können.“ [24]

Hier ergibt sich ein interessanter Anknüpfungspunkt zwischen Jona Friedmanns Ausführungen und Federico Zuccaris Gedanken zur Concetto-Formel (Siehe Kapitel 2.4; Disegno fantastico artificiale und Disegno esterno, prodottivo, discorsivo, fantastico).

„Entwerfen bedeutet Entscheidungen zu treffen. „Es ist wie in der Musik, man macht seine eigenen Noten, man schreibt sie dauernd um, indem man sie wieder hört.“ [25]

Der Vergleich, der hier mit Musik angestellt wird, ist treffend, wenn man dem „Umschreiben“ der Noten erlernte Hörgewohnheiten als Grundlage voraussetzt. Dieses Phänomen kennt jeder, aus der Auseinandersetzung mir Interpretationen von bekannten Musikstücken, oder Improvisationen etwa im Jazz. Rhythmus und Motiv sind bestimmt und ermöglichen „sinnfälliges“ Variieren. Dadurch wird, wie beim explorativen Zeichnen, bekanntes zu neuen Kreationen transformiert.

„Dinge unvollständig zu lassen, ist eine starke Inspiration, nicht nach zu viel Perfektion zu streben.“ [26]

Wie schon erwähnt (siehe 2.6 +  2.7 „non finito“), hat die Reduktion mehrere Gründe und Auswirkungen. Da ist zuerst die positive Wirkung der Interpretierbarkeit. Die Reduktion von Zeicheninhalten und damit im Zusammenhang stehender mentaler Interaktionen, ist der begrenzten Aufnahmefähigkeit des menschlichen Gehirns geschuldet (siehe Kapitel 4.6). Um Zeichnungsinhalte die ausreichende Relevanz haben nicht zu vergessen werden sie, symbolisch transformiert, gezeichnet. Die Erfüllung dieser Anforderung (Reduktion, Auswahlprozess) zwingt zu schnellem Handeln und sequenziellem Durcharbeiten einer Aufgabe.

„Die Geschwindigkeit hilft in Wirklichkeit dabei, den Prozess zu erzeugen. [...] und man kommt in einem schnellen Prozess viel weiter als in einer langsamen methodischen Annäherung.“ [27]

Obwohl Gary Chang in diesem Zusammenhang vom Aufräumen des Büros im allgemeinen Sinn redet, findet sich dieser Drang nach Ordnung in vielen Beschreibungen von Architekten. Er sagt:

„Meine Hauptherausforderung ist, wie man kreativ aufräumen kann, [...] Wenn man ein gutes Ordnungssystem hat, dann erleichtert das den Entwurfsprozess enorm. [...] Ich sehe die Verbindungen. Ich interessiere mich immer dafür, Ähnlichkeiten zu finden. [...] Es macht den Kopf frei. Denken Sie nicht, dass es wirklich schön ist, wenn das Aufräumen auch ein Entwurfsprozess ist?“ [28]

Der Begriff der Ordnung steht hier synonym für den gesamten Komplex der zu berücksichtigenden Teilbereiche von: Funktion, Form, Sinn, Codes (gesellschaftlich, geschichtlich historisch, usw.).

Der in der Renaissance für Skizze auch gebräuchliche Name “pensieri“, bedeutet Gedanke. Dieser Zusammenhang beschreibt die Skizze als das was sie ist, ein Denkwerkzeug.[29]

Inkubation wird jene Phase genannt in der keine sichtbare Aktivität, die zur Lösung beiträgt, feststellbar ist. Gegen Ende des Prozesses ist aber oft eine Evidenz dafür vorhanden, dass sich der Entwurf in Richtung Lösung bewegt hat. Diese Zeitspanne kann unterschiedlich lange dauern und wird oft vom angenehmen Gefühl des Erfolgserlebnisses begleitet. Es setzen Transformationsprozesse ein, die Zeit in Anspruch nehmen.

Ein Mitarbeiter von Aalto berichtet:

„Die Arbeitsatmosphäre war angenehm, der Rhythmus wechselte zwischen Intensivphasen und „demi force“, wie Aalto es ausdrückte. Wenn Aalto Mitarbeiter in die (…) „Taverna“ zum Gespräch bat, wurde Kaffee oder Rotwein getrunken, Anekdoten erzählt, jedoch nie über Architektur gesprochen.“ [30]

Gegen Ende eines, durch exploratives Zeichnen gesteuerten, Prozesses sind die repräsentierten Bilder schon so gut argumentiert und getestet, dass nicht mehr gezeichnet werden muss, um darüber nachzudenken. Viele Informanten bereichten davon dass sie, in dieser Phase Projekte sozusagen passiv mit sich herumtragen, sich auch nicht mehr austauschen.

„Der Prozess hört nie auf. Sogar wenn man nicht im Büro ist, und man hat gemeinsam die Lösung noch nicht gefunden, denkt , man weiter nach. Man schreibt etwas auf oder ruft die anderen an. Aber man hat das Projekt immer im Kopf, auch wenn es nur im Hinterkopf weiter arbeitet, so Anne Lacaton.“ [31]

7.8 Akzeptieren

Die so genannte Illumination stellt einen unfreiwilligen Moment dar, in dem das Material der Inkubationsphase sich zu einer deutlichen, sinnvollen Erkenntnis verwandelt, die plötzlich auftaucht. Die Gedanken kommen während der merkwürdigsten Momente.

Der Generationsprozess des explorativen Zeichnens endet, wenn der Entwerfer eine Form akzeptiert und beginnt eine Zeichnung im Maßstab zu formulieren. Diese Zeichnungen dienen der Überprüfung der Proportionalität und in ihrem Aussehen ähneln sie solchen, die in weiterer Folge der Kommunikation dienen. Sie werden meistens mit Kommunikationsunterstützenden Elementen wie Zeichnerischen Darstellungen der Umgebung, von Vegetation, Schatten, Pfeilen und Beschriftungen versehen.[32]

7.9 Fazit

Architekten arbeiten beim Entwerfen mit nicht real existenten Bildern, diese ermöglichen einen Austausch zu mentalen Repräsentationen. Darstellungen mentaler Bilder sind vereinfachte Formen von mentalen Repräsentationen.

Es entsteht ein Experimentierfeld zwischen symbolisch-formalen und metaphorisch-sprachlichen Bedeutungen und ihren topologischen, bzw. syntaktischen Abhängigkeitsbeziehungen. Diesen Möglichkeitsraum kann man als dialogisches Feld der explorativen Zeichnung benennen.

Der dialektische Wert liegt im testen von Entwurfsansätzen. Wie die Studie von Goldschmidt gezeigt hat, ist der Prozess des explorativen Zeichnens als dialektisch zwischen „sehen in“ und „sehen als“ zu klassifizieren.

In der ersten Phase sammeln Gestalter Informationen und leiten daraus Potentialitäten ab. Diese werden im Prozess des explorativen Zeichnens mit mentalen Repräsentationen abgeglichen.  Elemente hinreichender Relevanz und Kohärenz, werden als plausible Repräsentation für die Entwurfsaufgabe formuliert.

Die explorative Zeichnung, aber auch Modelle, Diagramme, usw., unterstützen interaktive Vorstellungen, durch laufende Produktion von mentalen Bildern, die eine Initiale Position im visuellen Denken haben.



[1]Zumthor, 2007, S. 67

[2]versuchsweise, probeweise

[3]Topologische Sortierung bezeichnet eine Reihenfolge von Dingen, bei der vorgegebene    Abhängigkeiten erfüllt sind, die Topologie bezeichnet räumliche Beziehungen, aber auch die Wortstellung (auch Satzstellung, Topologie, Satzgliedfolge, Wortfolge) ist die Anordnung der Wörter.

[4]Vgl. Arnheim, 1996, S. 53, eigene Übersetzung

[5]Vgl. Goldschmidt, 1991, eigene Übersetzung

[6]Gehry in Pollack, 2008

[7]Balmond in Heidingsfelder und Tesch, 2007

[8]Gehry in Pollack, 2008

[9]Dialektik ist ein uneinheitlich gebrauchter Begriff. Lange bezeichnete er eine Methode der Gesprächsführung oder Argumentation sowie den Bereich, der heute mit Logik bezeichnet wird. Seit dem 18. Jahrhundert setzt sich eine neue Verwendung des Begriffs durch: die Lehre von den Gegensätzen in den Dingen bzw. den Begriffen, sowie die Auffindung und Aufhebung dieser Gegensätze. Rein schematisch kann Dialektik in diesem neueren Sinn vereinfachend als ein Diskurs beschrieben werden, in dem einer bestehenden Auffassung oder Überlieferung als These ein Aufzeigen von Problemen und Widersprüchen als Antithese gegenübergestellt wird, woraus sich eine Lösung oder ein neues Verständnis als Synthese ergibt. Dieses allgemeine Schema kann sich unter anderem auf die Gegensätze zwischen Begriff und Gegenstand in der methodischen Wahrheitsfindung, auf Gegensätze zwischen den Diskussionsteilnehmern in einer Diskussion und auf reale Gegensätze in der Natur oder der Gesellschaft beziehen.

[10]Goldschmidt, 1991, eigene Übersetzung

[11]Roche, R & Sie(N), in Elke Krasny, 2009, S. 95

[12]Vgl. Goldschmidt, 1991, eigene Übersetzung

[13]Gehry in Pollack, 2008

[14]Vgl. Goldschmidt, 1991, eigene Übersetzung

[15]Krasny, 2008, S. 19

[16]Friedmann in Krasny, 2009, S. 54

[17]Krasny, 2009, S. 80

[18]Vgl. Goldschmidt, 1991, eigene Übersetzung

[19]Vgl. Goldschmidt, 1991, eigene Übersetzung

[20]Calatrava in Lawson, 1997, S. 152, eigene Übersetzung„Es ist das Antworten auf ein spezielles Problem, das die Arbeit eines Ingenieurs ausmacht [...] Ich kann nicht einmal einen Pfeiler oder einen Bogen entwerfen, ohne eine präzise Problemstellung, man braucht einen Ort.“

[21]Vgl. Goldschmidt 1991, eigene Übersetzung

[22]Van Berkel in Krasny, 2009, S. 119

[23]Goldschmidt, 1991, eigene Übersetzung

[24]Friedmann in Krasny, 2009, S. 56

[25]Van Berkel in Elke Krasny, 2009, S. 122

[26]Scott Brown in Krasny, 2009, S. 126

[27]Berriman, The Jerde Partnership, Krasny, 2009,  S. 77

[28]Chang, Edge Design Institute in Krasny, 2009,  S. 51

[29]Vgl. Goldschmidt, 1991, eigene Übersetzung

[30]Lacaton, Lacaton & Vassal in Krasny, 2008, S 17

[31]Krasny, 2009,  S. 79

[32]Vgl. Goldschmidt 1991, eigene Übersetzung

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