1.1 Einleitung

Als zeichnerische Notiz ist die explorative Zeichnung von Schnelligkeit und Spontaneität geprägt. Sie drückt eine erste Idee, oder einen grob umrissenen Formgedanken, aus. Sie wird von Schriftstellern, Malern, Bildhauern, Designern, Architekten, Technikern, Wissenschaftern, und vielen anderen Berufsgruppen verwendet, um über das geschriebene und gesprochene Wort hinaus, mit Gedankeninhalten zu interagieren. Gerade weil in diesen Bereichen nicht genau zwischen Kunst und Technik getrennt werden kann, stehen Aussagen von Architekturproduzierenden und Künstlern, stellvertretend für die verschiedenen Gestaltungsbereiche. Der Begriff der explorativen Zeichnung wird hier als die allererste Gedankennotiz für einen Entwurf betrachtet.

„Das Skizzieren ist Techne[1] der Kreativitätsproduktion.“ [...] Verwendet wird das, was zur Hand ist. [...] Ich skizziere mit dem Pinsel oder dem Bleistift. Ich reiße ein Stück Papier ab. [...] [2]

Weitere, für Gestalter im Projektablauf typische, Entwicklungsstufen sind nicht Gegenstand dieser Untersuchung. Die explorative Zeichnung wird hier als ein diskursives Medium verstanden, dessen Nachricht immer an den Zeichner selbst adressiert ist. Damit wird Sie zum selbstreflexiven Instrument. Es wird sich herausstellen, dass explorative Zeichnungen Nachrichten beschreibenden Charakters sind und es wird zu beantworten sein, wie dabei Neues entstehen kann.

Explorative Zeichnungen haben kein besonders ausgefeiltes Erscheinungsbild, vielmehr sind sie von Geschwindigkeit, dem Vermögen mit knappen Strichen das Wesentliche festzuhalten, geprägt. Entgegen aller Geniemythen und künstlerischer Allmachtsphantasien wird dargestellt werden dass Jeder, mehr oder weniger, entwirft und dass diese Fähigkeit nicht nur Eliten vorbehalten ist. Jedes Kind „bedient“ sich der Zeichnung, um die gegenständliche Umwelt kennen zu lernen.

„Zeichnen und Malen nehmen zu Beginn unseres Lebens neben Essen und Trinken und Schlafen viel Zeit in Anspruch. Und zwar, weil wir so die Auseinandersetzung mit unserer Umwelt und mit uns selbst lernen, ein lebensnotwendiger Vorgang wie gesagt. Lebensnotwendig nicht im elementaren Sinn wie Kampf, Fortpflanzung, Ernährung und Flucht, aber wichtig für eine menschlich-differenzierte Auseinandersetzung mit der Außen- und Innenwelt.“ [3]

Genau an dieser Schwelle, zwischen Außen- und Innenwelt, steht auch die explorative Zeichnung. Demnach befasst sich die folgende Arbeit mit ihr als Abbild dessen, was in der Interaktion zwischen dem Kopf, der Hand und dem Papier abläuft. Es werden hier also keine „genialen“ Skizzen besprochen, sondern es soll der Wert des prozessualen Ablaufs untersucht werden.

„Ich zeichne nicht nur deshalb gerne, da sich darin ein nostalgisches Verhältnis zur Hand ausdrücken könnte. Nein, es hat mit schnellem Denken zu tun.“ [4]

Innerhalb dieses Betrachtungsfeldes werden Anknüpfungspunkte zwischen Zeichnen, Zeichen und Sprache von Interesse sein. Es werden Symbol- und Metaphernsysteme untersucht, die Um- und Neudeutungen im Zeichenprozess ermöglichen. Explorative Zeichnungen bilden ein Feld, in dem haptisch-motorisches und sprachlich-metaphorisches zusammenfällt, bestehende Erfahrungen abgerufen und Neue gemacht werden können. Die Zeichnung dient dem Wissenserwerb und dieser findet zwischen Reflexion und Zeichenhandlung selbst statt. Sprachlich-metaphorische Prozesse haben wesentlichen Anteil an der „Übersetzungsarbeit“, die innerhalb des Zeichenprozesses abläuft. Zeichnen in der Entwurfsproduktion ist also kein Entspannungsgsakt, in dem der Entwerfer auf eine zufällige Eingebung wartet, sondern ein Prozess des Fokussierens, Verwerfens, neu Gruppierens, von Gedankeninhalten.[5]

Diese Abläufe werden von Entwerfern selten bewusst wahrgenommen, bzw. sind sie von Außen auch nicht immer beobachtbar und deutbar. Dieser Tatsache verdankt der Entwurfsprozess auch eine Menge von Missverständnissen, die ihn häufig mythologisieren.[6]

Es wird zu klären sein wie in diesem mehrdeutigen Raum, der hier eröffnet wird, Entscheidungen getroffen werden. Es soll gezeigt werden, welche Faktoren Zeichner in diesem Prozess beeinflussen und wie sie zu neuen Erkenntnissen gelangen.

1.2 Herkunft, Wortbedeutung, Begriffsbestimmung

Um darzustellen in welchem Feld wir uns bewegen, scheint es mir wichtig zuerst Herkunft und Wortbedeutung(en) aufzuzeigen. Dadurch sollen Begriffsbestimmungen eingegrenzt werden. Die aktive Anwendung von sprachlichen Metaphern im allgemeinen Sprachgebrauch trifft Aussagen über Zusammenhänge die hier in weiterer Folge beleuchtet werden. Wörter wie begreifen, versinnbildlichen, abbilden, Formensprache, Bildsprache, etc. verweisen auf solche Beziehungen.

Im etymologischen Wörterbuch ist unter dem Eintrag „entwerfen“ zu lesen:

„Mhd. entwerfen bedeutete ursprünglich „ein Bild gestalten“; es war ein Fachwort der Bildweberei, bei der das Weberschiffchen hin und her in die aufgezogene Gewebekette geworfen wird (beachte auch „hinwerfen“ in der Bed. „skizzieren“). Aber bereits im Mhd. gilt „entwerfen“ auch für literarisches und geistiges Gestalten. Der Sinn des Vorläufigen kommt erst durch den Einfluss von frz. projeter „planen“ (eigentlich vor-werfen) hinzu. Abl.: Entwurf „vorläufige Skizze; Plan“ (17,Jh.).“ [7]

Das Bildhafte eines Entwurfes ist vor allem im Hinblick auf den Symbolgehalt der verwendeten Zeichen wesentlich. Das Weberschiffchen stellt eine treffende Metapher dar. Es steht für das Hin- und Herbewegen welches beim Entwerfen zwischen Gedankeninhalten und dem Zeichnen selbst stattfindet. Die „schnell hingeworfene Skizze“  schafft einen Bezug zum schnell Erzeugten aber nicht perfekten also nicht fertigen. Dieser Begriff ist mit vielen anderen Bezeichnungen, die den Verdacht der genialischen Entäußerung nahelegen, mitverantwortlich für viele Missinterpretationen im Zusammenhang mit dem Zeichnen und Skizzieren. Der Begriff des Entwurfes ist beinahe auf alle Bereiche menschlicher Produktion anwendbar, er gilt für das geistige Gestalten schlecht hin. Die Bedeutung des Vor-werfens, des vorläufigen Darstellens, ist in seiner Interpretierbarkeit sowohl für den Entwerfer selbst, als auch für den Betrachter, eine wesentliche Eigenschaft der Skizze.

Beim Eintrag „Skizze“ ist zu lesen:

„Skizze „(erster) Entwurf; flüchtig entworfene Zeichnung“: Das seit dem 17. Jh. – zuerst in der Form scizzo – bezeugte Fremdwort ist aus it. schizzo „Spritzen, Spritzer; Skizze“ entlehnt. Gleicher Herkunft ist z.B. niederl. schets „Skizze“, das unserem Fremdwort ↑ Sketch zugrunde liegt. – It. schizzo bedeutet ursprünglich „Spritzen, Spritzer“, woraus sich über „Spritzer mit der Feder“ usw. die Bedeutung „Entwurf, Skizze“ entwickelte. It. schizzo ist lautnachahmender Herkunft. – Abl.: skizzieren „entwerfen; in den Umrissen zeichnen; andeuten“ (18. Jh.; nach it. schizzare „spritzen; skizzieren“).“ [8]

Hier ergibt sich ein vager Zugang von etwas im Vorhandenen suchen, sehen, zeichnen, „in den Umrissen zeichnen“. Dieses Vorläufige, nicht abgeschlossene, nicht Präzisierte, ermöglicht dem Zeichner das Zeichenhafte umzuinterpretieren, neue Zuordnungen zu treffen und diese in seinen persönlich-metaphorischen Wortschatz einzubetten. Durch das Herstellen von solchen Bezügen werden neue Instanziierungen geschaffen. Es wird der Bestand an vorher Gewusstem erweitert.

Es ist kein Zufall, dass das italienische Wort „scizzo“ erstmals im 17. Jahrhundert auftaucht, denn schon damals wurde die Skizze in der Art verwendet, wie sie bis heute genutzt wird. Das gängige Werkzeug, Feder und Tinte, haben in dieser Wortbedeutung (dem „schizzare“) ihre Spuren hinterlassen.

„Das Deutsche Wörterbuch der Brüder Grimm verweist im Eintrag »Entwerfen« auf zwei lateinische Wörter: adumbratio, das Umriss und Skizze bedeutet, sowie auf informatio, das wiederum ein Bild in der Vorstellung hervorrufen bedeuten kann. Unter dem etwas ungewöhnlichen Wort »Entwerfer« wird ein ebenso ungewöhnliches Wort von Goethe angeführt, nämlich »skizzisten«. Unter »Entwerfkunst« schließlich wird auf das griechische Wort diagraphice verwiesen und diagraphé heißt im Griechischen das Entwerfen einer Zeichnung oder geometrischen Figur.“ [9] 

Im Begriff des Umrisses („adumbratio“) erkennen wir so die Form und in der „informatio“ die Idee.  Zwei Begriffe, auf die sich unsere Bedeutungsstrukturen stützen. Eine mehr instrumentale Andeutung schwingt in den Worten „reißen“ oder „visieren“ mit, die früher fast gleichbedeutend mit „zeichnen“ gebraucht wurden. Hier lässt sich ein Zusammenhang von Linien in einer Bauzeichnung, oder den Ritzmarkierungen, die in alten Bauhütten auf dafür vorbereiteten Böden gesetzt wurden, herstellen.[10]

Es ergibt sich also ein Spannungsfeld zwischen prospektiv, in der Zukunft liegend, in der Bedeutung des Vor-werfens, daraus auch das Vorläufige, nicht Fertige, das Suchende, die Möglichkeit der Interpretation, das Darstellende und das Imaginative.

 

Francis Bacon trifft dazu, im Interview mit David Sylvester, eine eindeutige Aussage:

„Es verwandelt sich [beim Malen] kein Zufall, sondern es setzt ein Auswahlprozess ein, welchen Teil dieses Zufalls ich festhalten will.“ (sic!) [11]

In den folgenden Seiten wird immer wieder aus Texten zitiert, die „künstlerische“ Prozesse beleuchten. Ich möchte unmissverständlich darauf hinweisen, dass hier keine Unterscheidungen zwischen den Kategorien Kunst, Gestaltung und Technik getroffen werden, sondern vielmehr Erkenntnisse aus diesen Bereichen im Prozess des explorativen Zeichnens zusammenfallen.

1.3 Zeichnerisches Denken

„Wie Wolfgang Kemp gezeigt hat, hat sich die Bedeutung des disegno-Begriffs zwischen den 1540er und den 1570er Jahren in Florenz von der Zeichnung (oder Vorzeichnung) als dem Produkt der geschulten Hand verschoben zum reinen Imaginationsakt, bis es schließlich bei Benvenuto Cellini zur Zweiteilung des disegno in einen ersten und einen Zweiten oder einen inneren und einen äußeren kam, wobei der zweite eindeutig supplementären (ergänzenden) Charakter besaß. Gemäß dieser Herkunft und gemäß dieses Diskurses ist der Begriff des Entwerfens von zwei Seiten her zu verstehen, von der Seite der forma und von der Seite der idea(oder des concetto). Der Entwurf ist zum einen lineamento und zum anderen die Erfindung (invenzione), das Ins-Werk-Setzen der inventione und die „speculatione di menta“ selbst. Dementsprechend konnte das substantiierte Tätigkeitswort „Entwerfen“ in der kunsthermeneutischen Rezeption schließlich synonym werden mit dem „künstlerischen Schaffensprozess“ selbst.“ [12]

Der Begriff der „speculatione di menta“ so gedeutet, dass Etwas in den vorhandenen mentalen Repräsentationen gemutmaßt wird, beschreibt das Vergleichen des Erfahrungshintergrundes, mit Neuem, im Prozess des explorativen Zeichnens. Die Psychologie spricht von mentalen Repräsentationen als, durch Sinneswahrnehmungen gebildete, symbolische Darstellungen (Vorstellungen davon, wie Etwas ist, wie es funktioniert). Bei der Objektwahrnehmung und dem Denken selbst, assoziiert der Mensch eine Ansammlung von Sinneseindrücken, die in einer multimedialen Darstellung organisiert werden.

Vorstellungen

Wir sprechen hier also von einer Vorstellung der Realität. Denn genau so wenig, wie ein Farbton wirklich existiert, versteht kaum ein Individuum wie etwa komplexe Maschinen funktionieren, wir haben aber eine Vorstellung, eine mentale Repräsentation, davon. Diese wird, über die vorangegangene sinnliche Erfahrung und Zuordnung hinaus, auch gesellschaftlich und historisch geprägt. In diesem Zusammenhang ist es also zulässig, von einem Entwurf der Wirklichkeit zu sprechen und die selben Bedingungen wirken beim Entwerfen von Wirklichkeit, auf den explorativen Zeichner, zurück.

Jedem Entwurfsvorgang geht eine Grundidee voraus, eine Inspiration, die den ersten Anknüpfungspunkt an die Entwurfsaufgabe, darstellt. Die Idee hat ihren etymologischen Ursprung im Ausdruck von etwas Bildhaften, dem „Gesehenen“, der Vorstellung, dem Urbild. Der Zeitpunkt, in dem sich Ideen mit Handlungen verbinden, wird in der Entwurfsforschung mit dem Begriff der „Ideation“ zusammengefasst. Die Entwurfsforschung ist eine relativ junge Wissenschaft, deren Anfänge in die 1950er-Jahre zu datieren sind (siehe Kapitel 3).

„Konzepte oder mentale Schemata, die Zeichnungen zu Grunde liegen, werden häufig als „Ideen“ bezeichnet.[...] Die Idee, die ein Zeichner beim Entwerfen hat, bezieht sich nicht auf allgemeingültige Wahrheiten, sondern auf erinnerte und verinnerlichte Wissensformen.[13]

Erinnertes wird symbolisierend in die explorative Zeichnung eingebracht, daraus folgende Wahrnehmungen werden umgewandelt und in den Zeichnungen gespeichert. Die Symbole ermöglichen durch ihre Ambiguität, Neu- und Umdeutungen. Explorative Zeichnungen sind Werkzeuge, mit deren Hilfe symbolische Realitäten erzeugt werden und sie helfen mentale Schemata zu instanziieren. Abseits realer Bedingungen und Materialitäten, losgelöst vom Kontext, werden symbolische Interaktionen möglich.

Handeln

Die entwicklungsgeschichtlich bedingte Induktion von Sprachfunktion und Handfunktion manifestiert sich in manuell-kinästhetischen Zeichenhandlungen. So werden willkürliche Zeichenhandlungen genannt, die direkt von der Bewegungsempfindung gesteuert werden. Durch gesteigerte Aufmerksamkeit, auf das zu behandelnde Problem, können sich unvorhergesehene Entwurfsbewegungen ergeben, die zu ganz neuen Zugängen führen.

 

„Die „traditionelle“ Eintracht von Hand- und Sprachfunktionen ist in vielen Alltagshandlungen offensichtlich: Sprechen aktiviert das Gestenrepertoire der dominanten Hand, sodass man einen Linkshänder schon am Sprechen erkennt.“ [14]

Explorative Zeichner befinden sich in einer dialogischen Situation. Dieser dialogische Prozess findet zwischen dem handelnden explorativen Zeichner selbst und den mentalen Reproduktionen seines Erfahrungshintergrundes statt.

„Dort wo Zeichnen zum Testen von Entwurfsansätzen angewendet wird, liegt der „dialektische“ Wert der Skizze.“ [15]

Exploratives Zeichnen kann als physisches Lernen durch die aufmerksame Erfassung von Bewegungen und visuellen Wahrnehmungen betrachtet werden. Wenn Zeichnen, unter Verwendung von Symbolen, ähnlich wie Sprache, syntaktischen Regeln unterworfen ist, kann in diesem Zusammenhang von einer reduzierten, visuellen Sprache, ausgegangen werden. Das lässt den Schluss zu, dass es sich um eine, der Sprache verwandte Ausdrucksform handelt, eine symbolische Äußerung, ähnlich dem Tanz, der Mimik, der Geste. Dieses mimetische Element, relativiert allerdings die dominante Rolle der Vorstellungskraft im zeichnerischen Prozess.[16] Das führt uns wieder zur Frage der Form und der Idee. Vermutlich ist der Einsatz von syntaktischen Regeln im formalen Bezug, neben ästhetischen Fragen, entscheidend. Da wir das explorative Zeichnen aber als den beschreibenden Vollzug der Interaktion mit Zeichen und ihren symbolischen Bedeutungen formuliert haben, sind diese beiden Teilbereiche nicht voneinander zu isolieren. Es erklärt aber umgekehrt, warum Sprachbilder, also einzelne Wörter (Wortbilder), eine Rolle im explorativen Zeichenprozess spielen können.

Absichtsloses Zeichnen dient Entwerfern oft als Überbrückung um sich in ein Problem „hineinzudenken“. Dieser Prozess kann durch spontane Entwurfshandlungen unterstützt werden. Geübte Zeichner haben schon ihr eigenes Vokabular zur Beschreibung bestimmter visueller Phänomene entwickelt. Die Ausbildung eines solchen Formenvokabulars lässt den Wissenserwerb durch zeichnerisches Handeln vermuten.

Entwurfsskizzen können in grafisch orientierte und begrifflich orientierte Repräsentationen eingeteilt werden. Grafisch orientierte Entwurfsskizzen können der  Erinnerung oder Mitteilung dienen. Begrifflich orientierte Entwurfsskizzen ermöglichen eine Anbindung diskursiver Wissensformen an graphisch vermittelte Information.[17]

Dadurch stellt sich exploratives Zeichnen als eine Interaktion, von als Wissen abgespeicherter Erfahrung über die äußere Welt und deren symbolischen inneren Repräsentationen, dar. Das Handeln selbst ist im Hinblick auf den Wissenserwerb wichtiger als das Ergebnis und stellt den eigentlichen Entwurf dar. Die am Papier sichtbaren, scheinbaren. Ergebnisse sind Teile der Symbolsysteme die im Prozess codierend und decodierend vermitteln.

1.4 Fazit

Die explorative Zeichnung stellt sich als die erste Notiz eines Formgedankens, einer Idee, dar. Reduktion und Schnelligkeit ermöglichen einen symbolischen Austausch zwischen internen Repräsentationen und Wahrnehmungen.

Etymologische Untersuchungen ergaben eingeschriebene Bedeutungen von: in der Zukunft liegend, vorläufig, nicht fertig, suchend, darstellend und imaginativ.

Scheinbar „sehen“ wir keine Wirklichkeit vor unseren Augen, sondern die Sinneseindrücke interagieren vermittelnd mit unserem Gedächtnis, in dem unsere Erfahrung (symbolisch) gespeichert ist. Symbole sind Zeichen die eine Bedeutung tragen. Diese Tatsache ermöglicht sowohl einen Austausch von formalen, als auch inhaltlichen Objektbezügen. Die Erkenntnis, dass die Wahrnehmung eigentlich ein Abgleich mit Vorstellungen ist, begründet auch ihre wirkmächtige Rückwirkung auf die entwerferische Tätigkeit im explorativen Zeichnen.

Übersetzungen zwischen Symbolsystemen und Gedankeninhalten werden sprachlich-metaphorisch gebildet.

Einen haptisch-motorischen Zusammenhang stellt die Eintracht von Hand- und Sprachfunktion dar. Dadurch haben am Prozess des explorativen Zeichnens auch gestische Handlungen Anteil, welche von der Bewegungsempfindung gesteuert werden. Explorative Zeichner befinden sich im Dialog mit sich selbst. Dieser wird einerseits sprachlich-metaphorisch, zwischen Beschreibung und Bedeutung, andererseits haptisch-motorisch, in Form von gestischen Äußerungen, die aus unserer Ur-Erfahrung des (wirklich physischen) Erfahrens stammen, geführt. Dadurch ist exploratives Zeichnen einem sich ständig wiederholenden Prozess von Interpretation und Argumentation, dem Abrufen und Machen neuer Erfahrungen, unterworfen.



[1]téchne, altgriechisch, Fähigkeit, Kunstfertigkeit, Handwerk

[2]Van Berkel in Krasny 2009, S. 121

[3]Schmidbauer, 2004, S. 11

[4]Diller, Diller Scofidio + Renfro, in Krasny, 2009, S. 43

[5]Vgl. Herbert, 1988

[6]Vgl. Hasenhütl, 2008

[7]Duden „Etymologie“: Herkunftswörterbuch der deutschen Sprache. 2., völlig neu bearb. U. erw.  Aufl./von Günther Drosdowski. Mannheim; Wien; Zürich: Dudenverl.,1989, S. 158

[8]ebenda, S. 678

[9]Pircher in Krasny, 2009, S. 103

[10]Vgl. Westfehling, 1993, S. 95

[11]Sylvester, 2009, S. 17

[12]Siegert, 2009, S. 19

[13]Hasenhütl, 2008, S. 12

[14]Schmidbauer, 2004, S. 23

[15]Vgl. Goldschmidt, 1991

[16]Vgl. Hasenhütl, 2008, S. 18

[17]Vgl. Hasenhütl, 2008, S. 22 ff.

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