5.1 Einleitung

Pierre Bourdieu (1930 – 2002) entwickelte ein soziologisches Konzept des Habitus. Er stellt den Menschen als vergesellschaftetes Wesen dar, der geprägt von seinem gesellschaftlichen Umfeld, dieses auch gestaltet und umformt. Er stellt den Körper als sozialen Speicher dar, indem sich Soziales einschreibt, verinnerlicht wird. Das befähigt menschliche Wesen dazu, spontan auf Anforderungen zu reagieren.

„Der Habitus ist zu verstehen als „System dauerhafter und übertragbarer Dispositionen“, die als „Erzeugungs- und Ordnungsgrundlage für Praktiken und Vorstellungen“ fungieren, und zwar im Sinne einer „Spontaneität ohne Wissen und Bewusstsein.“ [...] „ein sozial konstituiertes System von strukturierten und strukturierenden Dispositionen, das durch Praxis erworben wird und konstant auf praktische Funktionen ausgerichtet ist.“

Dabei ist der Habitus kreativ, erfindungsreich; er ist in der Lage, in neuen Situationen neue Verhaltensweisen hervorzubringen; er hat das Potential „ars invieniendi“, einer Kunst des Erfindens (Kunst im Sinne der praktischen Meisterschaft) dieser Operator ist Produkt der Geschichte eines Individuums, geronnene Erfahrung und damit nicht nur „modus operandi“, sondern auch „opus operatum“ (ein Produkt, ein Werk, etwas Hergestelltes); er ist verinnerlichte, inkorporierte Geschichte; in ihm wirkt die ganze Vergangenheit, die ihn hervorgebracht hat, in der Gegenwart fort – allerdings um den Preis des Vergessens.“ [1]

Der, aus der gesellschaftlichen Ordnung entstandene, Zusammenhang geht in der Selbstverständlichkeit der erzeugten Praxis verloren.

5.2 Handwerk ist Können

Der amerikanische Soziologe Richard Sennett schreibt in seinem Buch Handwerk, in dem er die Tradition und Geschichte handwerklicher Fähigkeiten aus den unterschiedlichsten Blickwinkeln darstellt:

„Jegliches handwerkliche Können basiert auf hoch entwickelten Fähigkeiten und Fertigkeiten. Nach einem oft verwendeten Maßstab sind gut zehntausend Stunden Erfahrung nötig, wenn jemand Schreinermeister oder ein guter Musiker werden will. Diverse Studien haben gezeigt, dass mit dem Fortschritt der Fähigkeiten eine bessere Abstimmung mit den Problemen einhergeht [...] In einer höheren Ausprägung ist Technik keine mechanische Tätigkeit mehr.“ [2]

So wie hier der klassische Handwerker, der Tischler und der Musiker in einem Atemzug genannt werden, ist die Wertigkeit des handwerklichen Tuns selbst, auch in vielen allgemein als akademischen Berufen bezeichneten Tätigkeiten, wesentlich.

Francis Bacon sagt dazu im Interview mit David Sylvester:

„Es ist ein Instinkt der in der intensiven Übung wurzelt, und in der Praxis und Wissen.“ (sic!) [3]

Schon Aristoteles bemerkte in seinen Ausführungen über die „hexis“ (Haltung):

Erfahrung, griechisch „empeiria“, ist „etwas von langjähriger Übung, Geschicklichkeit, Fachkunde, Bewährung und einsichtiger Tüchtigkeit.“ Sie steht in enger Beziehung zu zwei anderen Begriffen, „techne“ (Kunstfertigkeit, Können) und „episteme“ (Wissen).

„Bei den Menschen entsteht Erfahrung aus der Erinnerung, denn die wiederholten Erinnerungen schließen sich in der Verfügbarkeit einer einzigen Erfahrung zusammen, wie denn Erfahrung sowohl der Einsicht, wie dem Können ähnlich zu sein scheint.“ [...] Wir müssen, sagt Aristoteles, unendlich viele Dinge lernen, weil wir sie nicht mit auf die Welt gebracht haben – wir lernen sie, indem wir sie als Tätigkeiten ausführen: „Denn was man erst lernen muss, bevor man es ausführen kann, das lernt man, indem man es ausführt: Baumeister wird man, indem man baut, Kitharakünstler, indem man das Instrument spielt.“[4]

Thomas von Aquin, der den Begriff Habitus im Mittelalter prägte, bestimmte ihn so:

„Mit dieser Bestimmung drückt Thomas die Zwischenstellung des Habitus aus, nämlich eine Vermittlungsinstanz zwischen reiner Potenz und reiner Handlung zusein. Er ist so etwas wie die Umschaltstation zwischen der Potentialität und der Ausführung einer Handlung.“  [5]

Der Habitus nach Thomas von Aquin, die „hexis“ nach Aristoteles, ist eine innere Instanz, die auf Grund von Handlungen zustande kommt und sich situationsbedingt einsetzen lässt.

5.3 Habitus eine generative Grammatik

Handelnde Subjekte verfügen über ein System generativer Strukturen, die unbegrenzt viele Äußerungen erzeugen können. Aus dieser Perspektive leistet der Vergleich des Habitus mit der Grammatik gute Dienste. Wenn man diesen Begriff in einer weiteren Fassung als „Handlungsgrammatik“ verwendet, erhellt die Analogie der Grammatik die Positionierung des Habitus zwischen Subjekt und Gesellschaft. In seiner gesellschaftlichen Tätigkeit entwickelt das Subjekt, von frühester Kindheit an ein so beschaffenes generatives System. Es bringt Verhaltensweisen hervor in denen die „Grammatikregeln“ beinhaltet sind. Man kann eine kreisförmige Bewegung annehmen, die von der geregelten Gesellschaft zum Produktionssystem des Subjekts führt und dann wieder in dessen regelhaftes soziales Verhalten einmündet. In dieser Sichtweise wird Grammatik nicht statisch gedacht. Es ist vielmehr ein dynamischer Vorgang des Erzeugens durch Subjekte selbst, in dem die Grammatik durch ihre Aktivitäten immer aufs Neue hervorgebracht wird. Nicht das Regelwerk macht demnach die Grammatik aus, sondern die dynamischen Aktivitäten der Subjekte, ihre Regel-Erzeugende Produktion. [6]

Bourdieu weist demnach vielmehr darauf hin, dass bei allen „mentalen Akten“ Intention, Wille, Erwartung, Haltung, Dispositionen – der Körper beteiligt ist.

„Der Körper fungiert, wie die Sprache, nicht einfach als (passiver) Speicher, als Aufbewahrungsort für „bereitgehaltene Gedanken“ (Bourdieu 1987: 127), niedergelegte Erfahrungen, gesellschaftliche Erwartungen, kurzum: für die Geschichte des Individuums, sondern als aktives „Ding“ bei der Erzeugung jener spontanen, immer wieder variierten und kreativ neu erfundenen Akte der Individuen, die die gesellschaftliche Praxis ausmachen.“ [7]

Die soziale Realität existiert sozusagen zweimal, in den Sachen und in den Köpfen, in den Feldern und im Habitus, innerhalb und außerhalb der Akteure.

Bourdieu versteht soziale Felder als, von der Konkurrenz unter den Akteuren geprägt. Jedes Mitglied dieses Feldes nimmt eine Position im Raum ein. Das bedeutet einen Platz im Kräftefeld, das auch ein Feld von Kämpfen um den Erhalt oder die Veränderung dieses Kraftfeldes ist. Insofern kann der Akteur seine Existenz nur unter den strukturierten Zwängen des Feldes bestreiten.

Der Architekt Frank Gehry dazu im Gespräch mit Sydney Pollack:

Gehry:       „Ich tue so als wäre nichts. So als wäre mir alles egal. Aber innerlich bin ich sehr ehrgeizig und zielstrebig. Ich konkurriere sehr gern. [...]“

Pollack:     „Es gibt niemanden, der nach Perfektion strebt, aber nicht mit anderen konkurriert. Ich glaube das ist unmöglich.“ [8]

Ein Feld folgt seiner bestimmten Logik. Das bedeutet, dass das Feld eines Rugbyspielers ein anderes ist als das eines Musikers. In beiden Fällen jedoch handelt es sich um ein Spiel, in dem jeder der sozialen Akteure um die Vorrangstellung kämpft. Somit ist ein soziales Feld ein nach einer eigenen Logik funktionierendes „Spiel“ um Macht und Einfluss.

„Das Feld definiert einen Raum des Möglichen, und das heißt, es erscheint jedem Akteur, in den Worten Bourdieus, „als eine Menge wahrscheinlicher Zwänge, zugleich Voraussetzung und Komplement einer endlichen Menge möglicher Nutzungen.“ [9]

Von einem sozialen Feld kann man jedoch nur sprechen, wenn es Personen einer bestimmten Dimension gesellschaftlicher Praxis zu ihrem Beruf gemacht haben. Das heißt wenn, einer zunächst einmal analytisch denkbaren Gliederung der Gesellschaft, die reale gesellschaftliche Arbeitsteilung entspricht.

Da das Feld als Kräftefeld gedacht ist, ist von vornherein unterstellt, dass die „Spieler“ in relevanten Merkmalen verschieden sind, ja diese Verschiedenheit ist geradezu konstitutiv für das soziale Feld. So muss, wer Architekt werden will, wer in der Welt der Architektur um seine Position kämpfen will, zunächst den Glauben haben, dass der Einsatz sich lohnt, dass architektonische Arbeit das ist, wofür man gemacht ist, worin man aufgeht.

Frank Gehry dazu:

„Ich wusste nichts über Architektur. Ein Mann mit weißen Haaren erzählte uns, was er machte, und es hat mich sehr angesprochen. Es war sehr [...] Solche Gebäude hatte ich vorher noch nicht gesehen. Ich wollte nicht sofort Architekt werden, aber ich behielt es im Hinterkopf. Als ich dann Architekt war, wurde mir klar, dass es Alvar Aalto gewesen war. [...]“ [10]

Doch erst die Existenz und Funktionsweise dieser zugleich „strukturierten und strukturierenden Struktur“ in den Subjekten erlaubt es, „die Institutionen zu bewohnen“, sie sich anzueignen, um sie dadurch in Aktion, am Leben, bei Kräften zu erhalten, sie beständig dem Zustand toter Buchstaben, toter Sprache zu entreißen, den in ihnen niedergelegten Sinn wieder mit Leben zu erfüllen, aber nur, indem der Habitus ihnen Veränderungen und Umwandlungen aufzwingt, die das Gegenstück und die Bedingung ihrer Reaktivierung sind.“[11]

Das inkorporierte Soziale und unsere Erfahrung ermöglichen uns die Deutung und Interpretation externer Phänomene und nicht nur das, auch deren Erneuerung. Wir sind dadurch gesellschaftlichen Regeln unterworfen. Diese Regeln verinnerlichen wir, beeinflussen jedoch durch unser Handeln auch wiederum die Gesellschaft selbst.

Bourdieu bemüht im folgenden Zitat die Metapher des Spiels, um die für die Funktionsweise des Habitus charakteristische Unmittelbarkeit und Kreativität zu veranschaulichen.

„Wer etwa beim Fußballspiel über große Spielerfahrung verfügt, das Spiel beherrscht, braucht nicht lange nachzudenken, wenn der Ball plötzlich in einer Spielsituation auf ihn zukommt, in der er ihm noch nie zugespielt wurde, er wird intuitiv „wissen“ und tun, was zu tun ist.“ [12]

Und weiter:

„Teilnahme am Spiel heißt, dass man unzählige Akte der Anerkennung erbringt, dass man in das Spiel investiert, sich anstrengt alles richtig zu machen, dass man versucht dahinter zu kommen, wie es funktioniert, welche Positionen wichtig sind, welche weniger, welche expliziten und impliziten Regeln gelten, welche Regeln strikt einzuhalten, welche von wem missachtet werden dürfen und so weiter. [...] Mimetisches Lernen, ein Lernen in der körperlich-sinnlichen Interaktion, in der man probeweise, im Vorgriff auf die wahrscheinliche Zukunft, als Mitspieler anerkannt wird, in die Praxis des Spiels eingebunden wird, das Lernen durch Mitmachen, durch Abgucken, Ausprobieren und Einüben, aber auch durch körperliches Handeln, durch spezifische Bewegungen und Gesten, spielt eine zentrale Rolle bei der Ausbildung des Habitus – bemerkenswerterweise auch bei jenen beruflichen Tätigkeiten, die , wie akademische oder künstlerische Berufe, gerne als „geistige Tätigkeiten“ qualifiziert werden.“ [13]

Zeichnerisches Entwerfen ist von einer Unzahl an Konventionen (auch gesellschaftlichen) determiniert, die ein Regelwerk darstellen. Das Zeichnen ist ein Tun, das mit diesen Konventionen interagiert. Der Schüler erlernt diese Tätigkeit durch zusehen, Probehandeln, einüben in körperlich-sinnlicher Interaktion. Dies bildet einen verinnerlichten Erfahrungsschatz, der das Reagieren in der Entwurfshandlung ermöglicht. Doch bleibt immer noch die Frage, wie wird das Gelernte im lebenden System Mensch verarbeitet?

Eine Fülle an Erfahrungen wird zu einem komplexen Erfahrungswissen zusammengeführt und immer wieder transformiert. Wie schon in vorangegangenen Kapiteln erwähnt, wird auch in der Gehirnforschung der Begriff Schema verwendet, um die Verarbeitung des Erfahrenen, Gelernten, im Gehirn darzustellen.

„Mit diesem Begriff hat sich der Philosoph Hans Lenk, Bezug nehmend auf Kant, näher auseinandergesetzt. Mit dem Ausdruck „Schemata“ werden in der Gehirnforschung die vom Subjekt vorgenommenen Konstruktionsbildungen bezeichnet, „die von umfassender Bedeutung für alle über das flüchtige Einzelerlebnis hinausgehenden Verbindungen, Verknüpfungen, Vereinheitlichungen und Verallgemeinerungen sind“ (Lenk 1995: 65). Ein Schema hat „den Charakter eines Dispositionsnetzes“ (ebd.: 70). Das Subjekt , so meint Lenk, erzeuge netzartige neuronale Systeme, die es befähigen, die die Welt strukturierenden Ordnungen zu erkennen. Diese impliziten Ordnungen werden vom Subjekt erfasst und in Form von Schemata als latente Handlungsstruktur angelegt: als Dispositionsnetz, das in neuen Situationen aktiviert wird.[...] Das heißt auch, dass der Habitus nur Dinge aufnehmen und einbauen kann, für die er bereits eine Art „Ankopplungsstelle“ hat.“ [14]

(siehe Kapitel 4.4)

Im Bezug auf Lernen und Lehren, ergibt sich die paradoxe Situation, dass die Vorstellung des Lernens, in der westlichen Welt, als weitgehend geistiger Prozess geprägt ist. Der Habitus, als körperlich-sinnliches Handeln, steht diesem Konzept diametral gegenüber.

5.4 Mit Habitus Entwerfen

Der Habitus ist das vereinigende Prinzip, das den verschiedenen Handlungen des Individuums ihre Systematik, ihren Zusammenhang gibt. Bourdieu veranschaulicht diese Beziehung am Beispiel der persönlichen Handschrift:

„Es gibt bei jedem Individuum eine spezifische, erworbene Disposition, Buchstaben in einzigartiger Manier zu schreiben, eine Disposition, die „immer die gleiche Schrift hervor[bringt], d.h. Schriftzeichen, die trotz aller Unterschiede in der Größe, in der stofflichen Beschaffenheit oder in der Farbe – bedingt durch den Schriftträger, Papier oder Tafel, oder das Instrument, Füller oder Kreide -, trotz der Unterschiede also im jeweils situationsbedingten Bewegungsablauf und im ganzen Bewegungszusammenhang eine sogleich augenfällige stilistische Affinität, eine „Familienähnlichkeit“ aufweisen.“ [15]

Dieser Zusammenhang beschreibt die Prägung von Identität durch erworbene Dispositionen. Ebenso wie das Schriftbild, ist der Zeichenstil eines Menschen einzigartig. Folgt man dem bis jetzt gelesenen weiter und erkennt diese durch (auch soziale) Erfahrung gebildete Identität in dargelegter Weise an so zeigt sich, dass dieses menschliche Spiel mit Ähnlichkeiten der Schlüssel zwischen Regelwerken und deren Durchbrechung ist. Denn erst das Vergleichen von vermeintlich nicht Zusammengehörigem schafft Neues. Solche Verbindungen entstehen im explorativen Zeichnen durch seine beschreibende Eigenschaft. Aus diesem Prozess gewonnene Zeicheninhalte interagieren mit formal-symbolischen (Form) oder sprachlich-metaphorischen (Inhalt) Ambiguitäten.

Der Begriff „Familienähnlichkeit“ stammt von Wittgenstein. Die Autoren zitieren aus den „Philosophischen Untersuchungen“, denn hier fragt Wittgenstein, was das Gemeinsame von Spielen sei. Seine Antwort:

„Sag nicht, es muss ihnen etwas Gemeinsam sein, sonst hießen sie nicht „Spiele“ – sondern schau, ob ihnen allen etwas gemeinsam ist. Denn, wenn du sie anschaust, wirst du zwar nicht etwas sehen, was allen gemeinsam wäre, aber du wirst Ähnlichkeiten, Verwandtschaften sehen und zwar eine ganze Reihe. Wie gesagt: denk nicht, sondern schau!“ (sic!) [16]

Im Bezug auf die explorative Zeichnung ist der Begriff der Familienähnlichkeit treffend, da es Formen gibt, die zueinander passen, die sozusagen aus der selben Familie sind und solche, die einander ausschließen. Ein Teilaspekt des explorativen Zeichnens kann als Suche nach Familienähnlichkeiten gesehen werden, Verwandtes wird erkannt und entsprechend der Entwurfsintention angewandt. Das betrifft auch den beschreibenden-sprachlichen Aspekt im zeichnerisch entwerfenden Handeln.

„Nach Bourdieus Überzeugung findet die Konstruktion von Ordnung in der sozialen Praxis statt; sie ist keine rein geistige Operation, die als solche nur im Denken des Subjekts anzusiedeln wäre. Die Regelhaftigkeit der Gesellschaft und der sozialen Subjekte entsteht im körperlichen Handeln, und der praktische Sinn – das ist die mit dem Habitus gegebene Fähigkeit, Handlungsweisen zu erzeugen, die mit den sozialen Ordnungen übereinstimmen – ist nichts anderes als „Natur gewordene, in motorische Schemata und automatische Körperreaktionen verwandelte gesellschaftliche Notwendigkeit.“ [17]

Der Körper fungiert also nicht nur als Medium, das den Habitus ausdrückt, sondern er dient förmlich als Speicher sozialer Erfahrung.

Das Individuum befindet sich zwar in einer strukturierten gesellschaftlichen Umwelt, aber es empfängt von dieser nichts anderes als eine Vielzahl unterschiedlicher Sinneseindrücke und muss die Fragmente eines gleichsam zersplitterten Bildes zu einem systematisch organisierten Ganzen zusammenfügen. Es muss die von den Sinnen wahrgenommenen unzusammenhängenden Einzelteile zu einem Bild der Welt synthetisieren. Dies ist ein von Kant entwickelter Grundgedanke, dass nämlich die Welt vom Menschen nicht in ihrer naturgegebenen Beschaffenheit wahrgenommen wird, sondern dass sie allein mit Hilfe der Leistung des Menschen konstruierend gewonnen wird. Bourdieu entwirft diesen Prozess nicht als einen rein geistigen wie Kant, sondern als einen sozialen und praktischen. [18]

5.5 Fazit

Das Tun selbst, wird in Pierre Bourdieus Theorie des Habitus, zur inkorporierten Erfahrung, die grammatische Strukturen bildet. Damit existiert die soziale Realität zweimal, in den Sachen und in den Köpfen, in den sozialen Feldern und dem Habitus, innerhalb und außerhalb der Akteure.

Schüler lernen das explorative Zeichnen durch zusehen, Probehandeln, einüben in körperlich-sinnlicher Interaktion. Dies bildet ein verinnerlichtes Dispositionsnetz, das Reagieren in der Entwurfshandlung möglich macht.

Der Körper fungiert nicht nur als Medium, das den Habitus ausdrückt, sondern er dient förmlich als Speicher sozialer Erfahrung. Mit dem Habitus sind wir in der Welt und haben die Welt in uns.



[1]Bourdieu in Gebauer und Krais, 2002, S. 5f

[2]Sennett, 2009, S. 33

[3]Sylvester, 2009, S. 98

[4]Gehlen in Gebauer und Krais, 2002, S. 27

[5]Schütz in Gebauer, Gunter und Krais, Beate, 2002, S. 26

[6]Vgl. Gebauer und Krais, 2002, S. 32f

[7]ebenda, S. 34

[8]Gehry in Pollack, 2008

[9]Gebauer und Krais, 2002, S. 58

[10]Gehry in Pollack, 2008

[11]Vgl. Gebauer und Krais, 2002, S. 34

[12]ebenda, S. 80

[13]ebenda, S. 62

[14]ebenda, S. 63f

[15]Bourdieu in Gebauer und Krais, 2002, S. 70

[16]Wittgenstein in Gebauer und Krais, 2002, S. 86

[17]Gebauer und Krais, 2002, S. 75

[18]Vgl. ebenda, S. 76

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